Anstößige Tänze im 17. Jahrhundert
(Rainer Gstrein)
Die Sarabande ist der wohl widersprüchlichste Tanz aus dem Zeitalter des Barock. Ursprünglich als Zarabanda in Spanien und Südfrankreich von kaum zu überbietender Deutlichkeit in der pantomimischen Darstellung des Geschlechtsverkehrs, mutierte sie im Laufe des 17. Jahrhunderts schrittweise zu einem 'gemäßigten' fröhlichen Tanz und letztlich zu einem gravitätischen Schreittanz. So spiegelt die Sarabande wichtige Aspekte europäischer Sittengeschichte vor allem des 17. Jahrhunderts wider. Im Unterschied zur Sarabande hat die Galliarde ihr Image als anstößig nie ganz verloren, wiederholt wird in zeitgenössischen Quellen vor den moralischen Gefahren dieses Tanzes eindringlich gewarnt, insbesondere junge Frauen seien besonders gefährdet. Gemeinsam ist beiden Tänzen, dass sie mit dem Hexensabbath in Verbindung gebracht wurden, etwa wenn der berüchtigte Hexenverfolger Pierre de Lancre 1613 in einem Buch über gefallene Engel und Dämonen schreibt, der Teufel tanze zu diesem Anlass die Sarabande mit der Schönsten. Die Zahl der Kampfschriften gegen den Tanz und die Rigorosität von Tanzverboten ist besonders in diesem Jahrhundert sehr hoch, was wohl nicht zuletzt mit dem Image von Tänzen wie der Sarabande und der Galliarde zu tun haben dürfte, die von Moralisten mit Tanzen insgesamt gleichgesetzt wurden.
Rainer Gstrein, Innsbruck, Österreich
Geboren 1960 in Lienz, Österreich; Promotion 1986 mit einer Arbeit über die vokale Romanze. Ab 1987 Universitätsassistent. Im Spring-Semester 1988 Visiting Assistant Professor für Europäische Musikgeschichte an der University of New Orleans. 1994 Habilitierung mit einer Studie über die „Sarabande - Tanzgattung und musikalischer Topos“. 1997 Ernennung zum Außerordentlichen Universitätsprofessor. Neben der Tanzgeschichtsforschung ist die Popularmusik ein weiterer Schwerpunkt.