„Choreografische Koordinaten der Leidenschaft“. Zur Darstellungsästhetik des ballet en action
(Sabine Huschka)
Der kaum erforschte Programmschriftenstreit zwischen Gasparo Angiolini und Jean Georges Noverre gibt Auskunft über die zentralen Kontroversen, in denen sich das ballet en action bewegt hat. Die briefliche Auseinandersetzung der beiden Ballettmeister Noverre und Angiolini zeigt in ihrem lakonischem und nahezu aggressivem Tonfall wie uneindeutig für den Bühnentanz des 18. Jh. die Frage war, in welcher Weise Leidenschaft zu einer choreografischen Sprache finden könne. Während Noverre die Leidenschaften als „Triebfedern“ malerischer Bewegungen auf der Bühne sehen wollte, bezweifelte Angiolini, dass einfühlende Nachahmung allein choreografische Kunst sei. Angiolini suchte eine den Leidenschaften adäquate choreografische Bühnensprache zu gestalten. Der Vortrag stellt beide theatrale Konzeptionen des ballet en action vor und stellt die Frage nach den „choreografischen Koordinaten der Leidenschaft“. Wie legt das ballet en action seinen theatralen Schauraum von Affekt, Gefühl, Handlung und Interaktion an? Wie sind ihre choreografischen Performativitäten beschaffen? Eingeschlossen wird ein knapper Exkurs darüber, wie eine Historiografie des Bühnentanzes zu denken und zu entwerfen ist und in welchem Verhältnis vorhandene Quellen (Stiche, Portraits, Notationen und Libretti) zur historischen Aufführungspraxis stehen.
Huschka, Sabine, Schönfließ, Deutschland
Sabine Huschka, Dr. phil. ist z. Zt. als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin mit DFG-gefördertem Forschungsprojekt Tanz und Wissen. Eine kulturhistorische Studie der Epistem choreografierter Körper (Habilitation) tätig. 2007 Vertretungsprofessorin am Institut für Germanistik II im Schwerpunkt Theater und Medien an der Universität Hamburg. Eine Ausbildung in Integrativer Tanz-Pädagogik, Erfahrungen in Körperarbeit und Improvisation informieren die Forschung. Sie gehört zum Lehrteam des DIT (Deutsches Institut für Tanzpädagogik).
Wichtigste Publikationen: Moderner Tanz. Konzepte – Stile – Utopien (rowohlts enzyclopädie, 2002); Merce Cunningham und der Moderne Tanz (Würzburg 2000).